Verlass dich drauf!
Du fühlst dich wie zu Hause, bist entspannt und geborgen. Kein Platz für Scham und Unbehagen. Das ist Vertrauen. In dich selbst, in andere, in deine Umgebung, in die nahe Zukunft.
Eine Mischung aus Erfahrung und Gefühl, die dir sagt, auf wen du dich verlassen kannst. Vertrauen heißt auch Mut zum Risiko. Vertrauen gibt Sicherheit in unserem Alltag. Und, gehst du das Risiko ein?
„Natürlich vertrauen wir uns“
Manchen würdest du alles anvertrauen. Anderen nicht. Wir erkunden dieses Gefühl: Wie sieht es aus mit deinem Selbstvertrauen, mit dem Vertrauen in deine Freundschaften, dem Vertrauen in Marken und in die Politik?
Du kannst Dir vertrauen
Eine mündliche Prüfung, ein Anruf beim Arzt oder bei der Ärztin, eine Party mit neuen Menschen: Viele werden da nervös und müssen sich überwinden. Wenn die Angst zu groß wird, leiden das Selbstvertrauen und das Vertrauen in andere. Die Angst aber lässt sich überwinden und Selbstvertrauen zurückgewinnen.
Die Angst vor der Angst
Anna (22, Name geändert) studiert Umweltnatur-
wissenschaften an der Uni Freiburg. Sie ist wegen sozialer Ängste in Therapie. Ist sie zu einem Geburtstag eingeladen, dann bestimmt schon Wochen vorher Angst ihre Gedanken.
Soziale Ängste zählen zu den häufigsten psychischen Störungen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Sie alle haben Angst sich vor anderen zu blamieren. Oft meiden sie deshalb, im Mittelpunkt zu stehen und auch den Kontakt zu Fremden.
Notizen von Anna
Anna überwindet immer wieder ihre Angst. Das hat sie in ihrer Therapie gelernt. Für schwierige Situationen hat sie Notizzettel dabei. Darauf stehen Sätze von Menschen, denen sie vertraut.
Für Anna war es ein Riesenschritt, für ihr Studium nach Freiburg zu ziehen. Sie fand Hilfe beim Studierendenwerk.
„Keine Kontakte weil ich nicht mitreden kann“
Soziale Ängste haben keine Altersgrenze: Dozent Günter Wendt (Name geändert) von der Uni Freiburg ist Ende 50 und leidet seit seiner Jugend an einer Sozialphobie. Besonders hilft ihm aber der Austausch mit anderen Betroffenen. In einer Selbsthilfegruppe kann er sich mitteilen (aus Gründen der Anonymität sind Günter Wendts Aussagen von einer anderen Person gesprochen worden):
Angst überwinden, Vertrauen zurückgewinnen
Wie Sozialphobien entstehen ist nicht endgültig geklärt. Vertrauen in sich und Vertrauen in andere spielen dabei eine Rolle, sagt Dr. Tobias Stächele, Psychotherapeut an der Ambulanz für stressbedingte Erkrankungen in Freiburg.
Es braucht viel Mut: Angst überwinden, durchhalten, sich Hilfe suchen, nicht aufgeben. Und damit Stück für Stück zurück zum Selbstvertrauen. Dabei hilft meist eine therapeutische Begleitung.
Vertrauen – Mut zum Risiko
Vertrauen haben, Vertrauen aufbauen, Vertrauen gewinnen…
Für manche scheint es ganz einfach zu sein. Die erste Frage ist: Vertraust du dir eigentlich selbst? Und dann: Wie funktioniert Selbstvertrauen? Und wie wichtig ist es? Wir haben Wissenschaftler gefragt, die es wissen müssen: Den Soziologieprofessor Ulrich Bröckling und den Psychologen Dr. Tobias Stächele von der Uni Freiburg.
Der Körper braucht viel Energie in schwierigen Situationen. Mit Freunden geht alles leichter. Weil man ihnen vertraut. Aber was ist eigentlich Vertrauen?
Vertrauen ist die Grundlage fürs Zusammenleben. Wir sind auf andere angewiesen. Damit erscheint es unwahrscheinlich, dass die Natur das dem Zufall überlässt. Ist Vertrauen damit eine Grundeigenschaft von uns Menschen?
Vertrauen lässt sich also auch einüben. Und macht das Zusammenleben einfacher oder erst möglich. Im Gegensatz zu Misstrauen schafft es eine gewisse Sicherheit, um in der Gesellschaft sein persönliches Umfeld zu finden. Wenn man gemeinsam etwas unternimmt und neugierig ist, festigen sich freundschaftliche und auch romantische Beziehungen.
Aber bei Geld hört die Freundschaft auf.
Soziale Kontrolle kann das vermeiden.
Darstellung der Theorie „Exit Voice Loyalty“ nach Albert Hirschmann
Marken und Produkte: Was uns nicht gesagt wird
In Vino veritas – im Wein liegt Wahrheit
Aber was nur wenige wissen: Jede Flasche enthält chemische Elemente, die nicht auf dem Etikett stehen. Auch die gute teure vom lokalen Händler. Das wollen wir nicht glauben. Wir vertrauen unserem Weinhändler. Und Katia Herbert, Sommelière in Freiburg, vertraut auf die Wahrheit im Wein…
Prof. Michael Müller forscht an der Fakultät für Chemie und Pharmazie der Uni Freiburg. Er untersucht die chemischen Elemente, die in Pflanzen und damit auch im Wein vorkommen.
Für Sommelière Katia Herbert ist das Vertrauensverhältnis zu ihren Kunden wichtig. Die Weine in der Weinhandlung wählt sie persönlich aus und kontrolliert die Qualität.
Prof. Müller allerdings findet sogar in Bio-Weinen chemische Substanzen. Zum Beispiel Trifluoressigsäure (TFA), eine Verbindung, die auf der ganzen Welt vorkommt.
Sommelière Katia Herbert vertraut auf die Wein-Zertifikate der deutschen Behörden und der Europäischen Union.
Könnte vielleicht ein australischer Wein die Lösung sein?
Fehlanzeige.
Trifluoressigsäure ist auch im Apfelsaft, im Gemüse, im Obst und überhaupt in der Natur. Der Wein ist nur das Beweismittel, dass die Konzentration weiter ansteigt.
Es gärt in der Modebranche…
Ökologische und soziale Faktoren verändern unsere Konsumgewohnheiten. Auch die Modeindustrie stellt sich diesen Herausforderungen. Luca Mariapragassam ist ein französischer Influencer. Er rückt den Verbraucher in den Mittelpunkt.
Wer ist Luca Mariapragassam?
Luca Mariapragassam (32), war vier Jahre lang Chefredakteur bei Bonne Gueule, dem ersten Blog für Männermode in Frankreich. Bekannt war sein YouTube-Podcast „Le bon look„.
Luca ist präsent auf Instagram, hat seinen eigenen YouTube-Kanal und eine Beratungsfirma für Marketing-Performance. Er ist Dozent beim französischen Modeinstitut.
„Transparenz nützt den Kunden nichts“
Für mich ist Transparenz kein Kriterium! Das ist Marketing. Mich stört, dass manche Marken dem Kunden sagen: „Mit diesem Stück verdienen wir so wenig Geld wie möglich. Also sind wir ethisch“.
„Ich gehe ja auch nicht in eine Restaurant-Küche und frage,
wie viel der Fisch gekostet hat und ob ich nicht zu viel bezahlt habe“
Es fällt vielen Marken schwer, zu kommunizieren, dass sie Geld verdienen müssen, um noch bessere Stücke herzustellen. Daher ist es schwierig zu erkennen, welche Marke transparent ist und welche nicht. Wir kaufen ein Kleidungsstück, wenn es uns gefällt. Jeder kann dann selbst prüfen, ob zum Beispiel Tierprodukte bei der Herstellung verwendet worden sind.
Transparenz als Trumpfkarte für Marken
„Der Verbraucher muss sich ändern: das ist entscheidend“
Ich mache unethischen Fast-Fashion-Marken nicht zum Vorwurf, dass sie existieren. Die Verantwortung muss der Verbraucher übernehmen, für sich selbst oder für den Planeten. Ich vergleiche es mit Fastfood: wenn du das jeden Tag isst, ist das schlecht für deine Gesundheit und dein Gewissen.
„Keine Lust, mein Geld Arschlöschern zu geben“ (Luca Mariapragassam, in seinem Newsletter vom 11. Mai 2023)
Bei Kleidung ist es das Gleiche. Es ist ok, dass du ab und zu mal ein unethisches Kleidungsstück kaufst, wenn du wenig Geld hast. Marken nehmen nur den Platz ein, den Verbraucher ihnen zugestehen.
„Luxus: ich kaufe einen Traum“
Luxus wird stark kritisiert, weil die Gewinnspannen hoch sind und weil der Preis eines Gegenstandes nicht seiner Qualität und seinem Materialwert entspricht. Luxusmarketing heisst Träume verkaufen.
Wenn man eine Luxusuhr für 10.000 Euro kauft, bei 600 Euro Herstellungskosten, glaubt man sich aufzuwerten. In Wirklichkeit leistet man sich einen Traum. Und es hat keinen Sinn, Luxus und High-End zu vergleichen.
Es ist erstaunlich: Luxus ist die Branche, die in Krisenzeiten am besten funktioniert. Wenn wir Transparenz wollen, fragen wir uns, wofür wir unser Geld ausgeben. Wenn man hingegen ein Luxusgut erwirbt, kauft man einen Traum und denkt nicht an den Preis.
Lucas Mariapragassam sammelt Uhren
(Quelle: Instagram @lucallaccio)
„Second Hand: Die Kleiderproduktion reduzieren“
Second Hand ist ein Modell mit Zukunft. Ich liebe Kleidung, sie zu kaufen und zu verkaufen. Ich will Kleidung entwerfen und will, dass Menschen sie dann tragen. Das ist zwar nur mein Ego, aber ich denke, das gilt für viele Geschäfte oder Marken.
„Wenn wir ab heute nur Second Hand-Kleidung tragen würden,
wären wir für 50 Jahre versorgt.“
Wir brauchen keine neue Kleidung. Mit Second Hand hat man Zugang zu vielen hochwertigen Kleidungsstücken. Second Hand wird in den nächsten Jahren eine große Rolle spielen. Das macht Sinn aus geschäftlicher und ethischer Sicht.
„Ich sah Leute, die im Geld schwammen“
Ich komme aus einfachen Verhältnissen, ich musste einen Kredit aufnehmen, um eine Wirtschaftsschule zu besuchen. Da sah ich Leute, die im Geld schwammen. Was ein Kind auf dem Schulhof erlebt, weil es nicht das modische Paar Schuhe hat, habe ich in meiner Hochschulausbildung erlebt.
Luca entdeckte seine Liebe zur Kleidung während seines Hochschulstudiums
(Quelle: Instagram @lucallaccio)
Second Hand hat mir in dieser Zeit wirklich geholfen, hat mir ermöglicht, der zu sein, der ich sein wollte. Ich hätte viel mehr mit Kleidung spielen sollen, ohne jemand anderes sein zu wollen. Aber das ist leichter gesagt als getan.
Die Macht der Kundinnen und Kunden besteht also auch in ihrem Wissen und dem Willen, Produkte zu kaufen, die mit ihren Werten übereinstimmen. Die Marken arbeiten derweil weiter an ihrem Image, um Vertrauen zu erzeugen. Genau wie die Politiker.
Vertraust du Olaf & Co?
So wie die Marken brauchen die Politiker*innen das Vertrauen ihrer Wähler*innen.
Auf den ersten Blick (Stichwort: Corona – Klimakrise – Krieg) ist das derzeit wohl nicht gegeben. Durch die aktuellen Krisen hat sich die Kluft zwischen Wähler*innen und Politiker*innen vergrößert.
Würdest du Christian Lindner deine Kinder anvertrauen?
Würdest du Annalena Baerbock bei dir wohnen lassen?
Dein Bankkonto mit Olaf Scholz teilen?
Olaf Scholz –
Bundeskanzler
Christian Lindner –
Finanzminister
Annalena Baerbock –
Außenministerin
Klimakrise, unverständliche Entscheidungen, leere Versprechungen, kein Bezug zu den Sorgen der Menschen. So empfinden das offenbar immer mehr.
Die Zufriedenheit mit der Regierung ist zwar gering, das Vertrauen in die Politik und die Institutionen hingegen ist recht hoch, sogar bei den Skeptischsten, sagte uns Politikwissenschaftler Prof. Uwe Wagschal von der Universität Freiburg.
Wir müssen den Politiker*innen die Verantwortung für unsere Zukunft anvertrauen. Und würden sie doch nicht unbedingt allein in unsere Wohnung lassen. Politische Arbeit ist ja vielleicht doch nur eine Imagefrage und Vertrauen etwas ganz Persönliches.
„Freundschaft ist wie Geld,
leichter gewonnen als erhalten“
(Samuel Butler)
Bibi und Tina, die wilden Kerle, Nemo und Dori, Harry, Hermine und Ron – Filme und Serien leben uns die perfekte Freundschaft vor. Aber Film ist Film und Leben ist Leben, und da gibt es schon Unterschiede.
Jemand mit dem oder der man nicht reden muss. Jemand vor dem oder der man laut denkt und alles anvertrauen kann. Das alles geht mit besten Freunden oder besten Freundinnen.
Wie unterschiedlich Freundschaften gelebt werden und welche Rolle das Vertrauen spielt – wir haben mal rumgefragt.
Amaia, 6 Jahre & Emily, 7 Jahre
Mit Freunden und Freundinnen spielen ist für Kinder das Wichtigste. Und mit zunehmendem Alter wird es immer wichtiger, wem ich vertrauen kann.
Mit der Zeit werden unsere Freundschaften intensiver. In schwierigen Zeiten zeigt sich, welche Freunde bleiben und auf wen man sich verlassen kann. Weniger Freunde, aber dafür engere Freundschaften.
Sofiia, 16 Jahre
Lukas, 23 Jahre
Beatrice, 57 Jahre & Isabell, 54 Jahre
Mechthild, 76 Jahre
Vom Kindergarten bis zum Kaffeeklatsch – eines ändert sich nie: ich fühle mich wohl, wenn ich mit Freund*innen zusammen bin. Sie sind in meinem Leben ein Geschenk, das ich mir selber mache.
Vertrauen braucht Zeit. Dazu gehören gemeinsame Erfahrungen und Augenblicke. Bei unserer Suche nach Vertrauen haben wir Menschen gefunden, die sich auf uns eingelassen haben.
Man muss sich erst trauen, um zu vertrauen.
Eine Crossmedia-Produktion von Deutsch-französischen Journalismusstudierenden im Sommersemester 2023:
Laura Beaudouin, Manon Boudsocq, Marine Fersing, Yann Greff-Scheffer, Baptiste Huguet, Elise Hulata, Laura König, Juliette Nichols, Johanna Mohr, Franziska Müller, Julia Paasch.
in Zusammenarbeit mit der crossmedialen Ausbildungsredaktion uniCROSS am Medienzentrum der Universitätsbibliothek Freiburg.
Fotos: DFJ-Studierende, privat.
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